Die Carboratanlage
In der Carboratanlage wurde in Kohlenmühlen je nach Verwendungszweck Kohle bis zu feinstem Kohlenstaub gemahlen. Diese Kohlenrodukte wurden für Gummifolien, Autobatterien, Autoreifen oder aber zu Filterkohlen für die Trinkwasseraufbereitung verwendet.
Mehr Information zur Carboratanlage nach den Fotos unten auf dieser Seite!!!
Die Carboratanlage ist im Jahr 1959 durch die Niederrheinische Bergwerks AG in Betrieb genommen worden.
Im Jahr 1973 wurde sie von der Niederberg Chemie( damals eine Tochter der RAG) übernommen. Später ist sie in private Hand gekommen der Schwerpunkt lag zuletzt beim Produkt Filterkohle zur Trinkwasseraufbereitung sie wurde dann im Jahr 1989 entgültig stillgelegt.
Die Carboratanlage nahm 1959 ihren Betrieb auf.
Die Carboratanlage nach ihrer Schließung
Hier noch mal aus einem anderen Winkel
Blick von der Außenkrananlage der Aufbereitung auf Schmiede und Carboratanlage
Mit diesen Zyklonen wurden die Carborat - Tankwagen beladen
Mit diesen LKW´s wurde das Produkt "Carborat" tranzportiert
Vor dem Einspruch der Aral AG gegen den Produktnamen wurde die Feinstkohle
unter der Bezeichnung Carboral vermarktet.
Ein Carboratfahrzeug beliefert das Heizkraftwerk Schacht 3 in Moers/Kapellen mit Feinstkohle
Wohin mit der Krümelkohle (das Problem einer Hausbrandkohlenzeche
Die Brikettfabrik: Durch die langen Tranzportwege von der Kohlenlagerstätte unter Tage bis nach dem Aufbereitungs - Vorgang über Tage in der Aufbereitung fällt eine Menge an Krümelkohle an. Die großen Kohlebrocken werden über Siebanlagen zu Grob,- Mittel,- oder Feinkohle (Nußkohle Nuß 1 bis Nuß 5) aufbereitet und vermarktet. Aber was passiert mit der Krümelkohle und dem Kohlenstaub? In der Brikettfabrik wurde ein Teil der anfallenden Krümelkohle und des Kohlenstaubs nach einem bestimmten Verfahren mittels eines Bindemittels in Walzenpressen zu Eierbriketts gedrückt. Diese Eierkohlen eigneten sich hervorragend als Hausbrand zum Heizen von Zimmeröfen. Somit hatte man nebenbei ein weiteres gut verkäufliche Produkt geschaffen.
Die Carboratanlage: Ein weiterer Teil der Krümelkohle wurde der Carboratanlage, die 1959 von der Niederrheinischen Bergwerks AG (Bergwerk Niederberg) in Betrieb genommen wurde zugeführt. Um 1973 ging sie in die Niederberg - Chemie eine RAG - Tochter über. Die letzten Jahre wurde sie von privter Hand betrieben. In ihr wurde die angekommene Krümelkohle nochmals in Kohlenmühlen je nach Verwendungszweck bis zu feinstem Kohlenstaub gemahlen. Diese Produkte wurden zur Herstellung von Industriefolien, Autobatterien, Autoreifen oder aber zu Filterkohlen für die Trinkwasseraufbereitung verwendet und per Bahn in Sackware oder per LKW - Tanklastzug an die Weiterverarbeitenden Unternehmen verschickt. Die oben genannte Niederberg - Chemie brachte in den 1970er Jahren auf der Schachtanlage Niederberg 4 in Tönisberg die Industriefolie "Carbofol" auf den Markt, die später von der Firma Naue GmbH & Co. KG. übernommen wurde und heute noch hergestellt wird. Allerdings nicht mehr in Tönisberg, sondern seit Ende 2017 im Stammwerk in Espelkamp. Hier spielt leider die Deutsche Steinkohle aber keine Rolle mehr.
Insiderbericht der Carboratanlage
zur Verfügung gestellt von Werner Hartmann
Man schrieb das Jahr 1971 als mir von der Betriebsleitung mit ein paar dürren Worten angedeutet wurde, dass ich nach Abschluss der Bergschule in der Carboratanlage als Maschinensteiger eingesetzt werden sollte. Dass mein Berufsweg dennoch eine ganz andere Richtung nehmen würde, konnte ich damals noch nicht ahnen.
Die Anlage war mir zwar äußerlich bekannt und ich wusste in etwa, was mich dort erwartete, aber betreten hatte ich die Anlage vorher nie.
Sie lag am Ende der Zechenstraße und war für LKWs und mit der Bahn unterfahrbar. Man könnte das Gebäude als kubischen Stahlskelettbau mit einer Eternit-Außenhaut bezeichnen, der auf etwa 8 Meter hohen Stelzen stand. Carborat war ein typisches Produkt der Niederrheinischen Bergwerks AG, das nicht zuletzt auf Initiative des Bergwerkdirektors Merkel zurückging. Assessor Merkel war ein Manager im besten Sinn. Er sprühte nur so vor Ideen, die eine ganze Reihe von Produkten hervorbrachten, die es nur auf NBAG gab. Carborat wurde sowohl als Brennmaterial, als auch als Grundstoff für die chemische Industrie benötigt. Sicher können sich noch viele daran erinnern, dass Autobatterien früher grundsätzlich schwarz waren. Die Farbe stammte vom Carborat, das als Füllstoff dem Kunststoff beigemischt wurde. Ähnlich verhielt es sich mit dem Produkt Carbofol, bzw. NB-Folie, die als Dach-, Teich-, oder Deponiefolie teilweise in riesigen Ausmaßen verlegt wurde. Carborat lies sich ähnlich wie Öl in Tankwagen transportieren und durch Rohre fördern. Damit wurde Anthrazitkohle etwa so bequem und kostengünstig handhabbar wie Heizöl. Diese Eigenschaft erhielt das Produkt durch das Mahlen in feinste Körnung im Bereich von Tausendstel Millimeter. Durch die fast vollständige Wasserfreiheit gab es zwischen den mikroskopisch feinen Körnern keine Haftbrücken und das Erzeugnis wurde fließfähig.
Zurück zu 1971: Jetzt standen 3 Monate Lernsteigertätigkeit als Berufsvorbereitung an.
Was als Erstes beim Betreten der Anlage auffiel, war die allgegenwärtige schwarze pulverschneeartige Staubschicht die bei jedem Schritt zur Seite stob. Eine endlose Gitterosttreppe führte direkt in den Bauch der Anlage. Dort kam man zum Aufenthaltsraum, Büro, Labor, Werkstatt und zum Fahrstand. Der Fahrstand war auf dem damals modernsten Stand. Irgendwie fühlte man sich an das Stellwerk eines Bahnhofs erinnert. Ich, als alter Modellbahner fand mich darin sofort zurecht. Das Überwachen und Steuern machte soviel Spaß, dass ich dort auch Doppelschichten hätte fahren können.
Das Rohprodukt kam über relativ dünne Rohre bereits als getrockneter Feinstaub von der Brikettfabrik. Lief dann in Vorratssilos und wurde von da zu den Vertikalmühlen gefördert. Was im Gegensatz zu anderen Betrieben auffiel, war, dass sich offensichtlich außer den Kugelmühlen nirgendwo was bewegte. Dass lag daran, dass sich alles in geschlossen Kreisläufen, Behältern, Schnecken- und Zellenradförderern abspielte. Dennoch war im ganzen Gebäude ein ständiges Zittern und Vibrieren zu spüren. Das kam vor Allem von den Vertikalmühlen. In den gekapselten Gehäusen wälzten sich zentnerschwere Stahlrollen mit gehärteter Oberfläche über ständig zufließende Feinkohle. An den Rändern wurde das Mahlgut entnommen und mit Förderluft über Rohre und weitere Silos in Kugelmühlen, wie man sie auch von der Zementherstellung kennt, weiter zerkleinert. Das waren lange Rohre mit etwa einem Meter Durchmesser, die sich um die horizontale Längsachse drehten. Tausende Stahlkugeln zermalmten darin alles, bis nur noch staubfeines Mahlgut übrig war. Die Unterscheidung der Korngrößen, und damit die Zuweisung, was in welche Mühle oder in welchen Silo zu strömen hatte, entschied sich in Windsichtern. Das von oben einlaufende Material wurde im Luftwirbel aufgemischt. Das Feinere wurde mit dem Luftstrom hoch gewirbelt und das Gröbere fiel nach unten und strömte wieder einer Mühle zu. Das Endprodukt wurde laufend im betriebseigenen Labor geprüft. Neben Aschegehalt, Brennwert und der Gehalt an flüchtigen Bestandteilen, musste auch geprüft werden, aus welchen Korngrößen sich das Produkt zusammensetzt. Wer glaubt, dass es so feine Prüfsiebe nicht gibt, irrt. Der Laborant stapelte dazu eine ganze Kaskade von Grob zu Fein aufeinander und die jeweils in den Sieben verbliebenen Mengen wurden dokumentiert.
Besonders ist mir noch eine Begebenheit in Erinnerung: Bei einer Betriebsbegehung fiel mir Brandgeruch auf. Nach kurzem Suchen sah ich eine rotglühende Silospitze oberhalb einer Zellenradschleuse. Mit Riesenschritten rannte ich zur Schichtmannschaft, die sich grade zum „Dubbeln“ im Aufenthaltsraum aufhielt. Dort versuchte ich meine Alarmstimmung auf die Leute zu übertragen. Zu meiner Verwunderung blieben alle gelassen. Einer erhob sich, ging zum Steuerstand und setzte die entsprechende Zellenradschleuse still. Damit erstickte auch gleich die Flamme, wie man an der, sich von hellrot, zu dunkelrot verfärbenden Spitze sehen konnte. Als Andenken daran verblieb nur noch die abgeblätterte Farbe.
Überall gab es Absaugrohre, die sich wie die Adern eines Körpers durch das ganze Gebäude zogen. Dünne Rohre vereinigten sich zu dickeren. Dickere vereinigten sich zu noch dickeren und das Dickste, die Aorta führte nach draußen zur Staubfilteranlage. Die befand sich in einem kleineren Kubus neben dem Hauptkubus der Carboratanlage. Nach meiner Kenntnis war die Absaugung so gut wie nie in Betrieb. Auf meine Nachfrage bekam ich in der Regel zur Antwort, dass die Entstaubung sehr störanfällig, und der allgegenwärtige Staub nicht gesundheitsschädlich sei. Inwieweit der relativ frühe Tod einiger Kollegen, die mir mittlerweile ans Herz gewachsen waren, möglicherweise damit zusammenhing, kann ich nicht beurteilen.
Das Endprodukt Carborat wurde über Füllrüssel in die Tankwagen gefüllt, die sich genau unter den Silos zu positionieren hatten. Nach dem Befüllen bekamen die Wagen noch eine kostenlose Dusche.
Eines Tages fehlte wegen Krankheitsausfall an der Sackabfüllung ein Mann und der Waggon konnte nicht beladen werden. Darum erklärte ich mich bereit, dafür einzuspringen. Es handelte sich um eine monotone Arbeit, bei der ich jeweils den Sack mit der offenen Falzlücke auf den Füllstutzen zu schieben hatte. Mit einem Tritt auf einen Fußschalter füllte sich der Sack innerhalb von Sekunden. Trotz des Volumens von der Größe eines Zementsacks waren die vollen Säcke relativ leicht. Es dauerte allerdings nur wenige Minuten und ich war von einem Kohlenhauer im Streb kaum zu unterscheiden.
Werner Hartmann