Eine Übersicht über die einzelnen Gebäude der Tagesanlage kann immer nur eine Momentaufnahme sein, denn immer wieder wurde, wegen der sich ständig ändernden Anforderungen umgebaut, angebaut, abgerissen und modernisiert. Die folgende Beschreibung gibt einen Einblick in die Zeit, Anfang der sechziger Jahre:
Wer den Pförtner nach dem Weg zur Werkstatt fragte, bekam den Hinweis, der Zechenstraße bis fast zum Ende zu folgen. Dort seien auf der rechten Seite die Schmiede, die Schreinerei und die Vulkanisierwerkstatt. Die Zechenstraße mündete am Ende in den großen Torbogen eines Quergebäudes, in dem rechts die Lehrwerkstatt und links das Sägewerk des Holzplatzes untergebracht waren.
Blick in die Zechenstraße rechts die Werkstätten im Hintergrund die Unterführung am Sägewerk
Die „Schmiede“, wie sie allgemein genannt wurde, war davon der größte Gebäudekomplex. Die Bezeichnung „Schmiede“ ist aus der Zechenhistorie zu verstehen, denn die ersten Gebäudeteile des L- förmigen Gebäudes beherbergten tatsächlich 8 einzelne Schmiedefeuerstellen. Wenn man das erste Tor betrat, kam man zunächst in die Wagenschmiede, in der die 1000- und 2500-Literwagen instand gesetzt wurden. Im linken Flügel längs der Zechenstraße waren die Fördererketten- Reparatur, die genannten Schmiedeplätze und bis in die sechziger Jahre auch ein Dampfhammer, der 1965 seine Funktion beendete, als mit einem spektakulären Knall der Deckel des Dampfzylinders abriss. Dahinter kam man in die mechanische Werkstatt, besser unter dem Begriff „Dreherei“ bekannt.
Die Schmiede mit dem besagtem Dampfhammer
Der andere Flügel beherbergte mehrere Schweißerplätze, die Biegewalze, Hebezeugreparatur, Werkzeugausgabe und das Meisterbüro. Das Ende des Flügels bildete die Elektrowerkstatt, mit der Motoreninstandsetzung. Längs dieses Gebäudeflügels und parallel zur Querstraße stand der Anbau mit dem Lager für Sauerstoff- und Azetylenflaschen.
Alte Werkstatt: Hier wurden Die Hebezeuge, Rangirkatzen und Gehängezüge für die EHB - unter Tage instandgesetzt. Außerdem wurden hier noch Rollenstationen und Führungsrollen für die Förderkörbe repariert.
Bereits in den fünfziger Jahren zeichnete sich ab, dass das Platzangebot der Schmiede nicht mehr den Anforderungen genügte. Vor allem nach dem Kauf mehrerer Continuous Miner, die man unmöglich in der vorhanden Werkstatt hätte instand setzen können. Darum wurde im freien Winkel des L-förmigen Gebäudes die sogenannte neue Halle gebaut. Sie erhielt natürlich auch eine leistungsfähige Brückenkrananlage mit 2 Brücken. Die Beheizung der Halle war mit den Heißdampf- gespeisten Lüftern sehr effektiv. Beim Hallenboden hatte man sich für eine äußerst strapazierfähige Stirnholzlage entschieden, die außerdem den Vorteil hatte, gut gegen Bodenkälte zu isolieren.
Die sogenannte "Neue Halle" Hier in der Schmiede zusammengebauter CM
genauer: Continuous Miner 2, Typ 3 JCM 5 im Jahr 1958
Die Dreherei war mit 7 Drehbänken 2 Hobelbänken, einer Fräsmaschine, einer Kopfdrehbank und einer Stoßbank den Anforderungen der Schachtanlage gut angepasst. Zwar qualifizierten neu eingestellte Dreher, die aus anderen Produktionsbetrieben kamen, unsere Maschinen als veraltet ab, aber ein Reparaturbetrieb stellt andere Anforderungen, als eine Maschinenfabrik mit Serienfertigung. Es gab sogar noch 2 Drehbänke aus den Zwanzigern, die mit ihren Riemenscheiben noch für Transmissionsantrieb ausgerüstet waren und in den Fünfzigern auf Einzelelektromotoren umgerüstet wurden. Die urtümliche Kopfdrehbank wurde selten, aber vor allem dann benutzt, wenn der große durch Auftragsschweißen aufgefütterte Lagersitz des CM-Drehkranzes ausgedreht, oder der sperrige Ausleger in den Lagerstellen auf Maß gedreht werden musste. Sogar die für Präzisionsarbeiten nicht mehr brauchbaren Transmissionsbänke kamen noch zum Einsatz, um die Rollen der Vertikalmühlen aus der Carboratanlage wieder glattzuschleifen. Die modernste und größte Drehbank mit etwa 3m Spitzenweite war Drehbank 6, die auch wegen der Möglichkeit angeschafft wurde, die speziellen amerikanischen CM- Gewindearten schneiden zu können. Auf ihr wurden sogar komplette Bandtrommeln für unter- und über Tage gefertigt.
Drehbank 1, stammte zwar aus den Vierzigern, aber mit ihrer Bauform sah sie relativ modern aus. Sie war zu ihrer Zeit so wichtig und unentbehrlich, dass sie im zweiten Weltkrieg, während der Bombenangriffe unter der Dampffördermaschine aufgestellt wurde. Der Dreher war dort mit seiner Maschine so sicher wie in einem Bunker.
Die Dreherei in den 1920er Jahren einer der Dreher ist Karl Trommen
Von Zeit zu Zeit musste an den Fördermaschinen das Futter der Köpescheiben nachgedreht werden. Dafür montierte man den Werkzeugschlitten der Kopfdrehbank ab und schraubte ihn vor die jeweilige Seilscheibe.
Während der Fördermaschinist die Maschine langsam laufen lies, schnitt der Dreher nach einer Schablone das Futter nach.
Im Gegensatz zu den anderen Gebäudeteilen war die Dreherei teilweise unterkellert. Neben Drehbank 1 führte eine Treppe zu zwei, mit stabilen Stahltüren verschlossenen Räumen. Die Tür geradeaus führte in den Exausterraum. Dort trieb ein E- Motor über einen meterlangen Flachlederriemen den Lüfter für die Entgasung der Schmiedefeuer. Die Tür zur Rechten führte sozusagen in die Schatzkammer der Werkstatt. Nicht ohne Grund wurde der Schlüssel dazu im Meisterbüro hinterlegt. Auf Regalböden lagerten dort Messing-, Delta-, Remanit-, und Rotgussstangen, sowie Lagermetalle in unterschiedlichsten Durchmessern und Werkzeugstähle, aus denen die Dreher ihre Drehmeißel selbst schmieden konnten.
Der Aufgabenbereich der Werkstatt war in den sechziger Jahren noch sehr umfangreich, denn es wurde soviel wie möglich selbst repariert und gefertigt. Das änderte sich erst später, als aus betriebswirtschaftlichen Gründen immer mehr Aufträge an Fremdfirmen vergeben wurden. Qualität und Schnelligkeit der Auftragserledigung spielte danach eine untergeordnete Rolle. So wurde auch der Personalbestand von ursprünglich 80 auf 36 Mann verkleinert. Dazu zählte auch das Personal der Schreinerei und des Holzplatzes. Die Holzplätzler kamen unter die Regie der Firma Rhein-Ruhr-Holz. Als Maschinensteiger der Förderung oder Produktion konnte man diese Entwicklung nur bedauern. Dennoch blieb trotz gegenteiliger Bestrebungen die ca. 18 Mann starke Schachtkolonne als das wichtigste Standbein der Werkstatt erhalten. Planmäßige Kontrollen der Förderseile, Zwischengeschirre und Körbe an allen 5 Schächten zählten zu den Aufgaben, genauso wie Schachtrevisionen, Korbreparaturen und das Wechseln von Förder- und Unterseilen, und Eckführungen.
Vorbereitungen zum Auflegen der Förderseile an einer Vierseilförderung Schacht 5
Der Werkstattmeister stand oft vor der schwierigen Entscheidung, welche Aufträge mit Vorrang zu erledigen seien. Erfahrungsgemäß setzte sich der Grubenbetrieb in der Rangfolge gegenüber dem Tagesbetrieb mit dem Argument durch, die Produktion dürfe nicht unterbrochen werden. Und wenn dann der Grubenbetriebsführer wieder mal Druck machte, kam vom legendären alten Werkstattmeister Misch der Satz: „Dat mut ers all gemakt wern.“ Falls sich ein realer Produktionsausfall anzukündigen drohte, wurde die schärfste Waffe des Grubenbetriebs eingeschaltet und Inspektor Keck erhob seine laute Stimme.
Ausleger Bohrmaschine in der neuen Halle
Das umfangreiche Werksbahnschienen-Netz des Tagesbetriebs reichte nicht nur bis in die Wagenschmiede, sondern durch die ganze Werkstatt. In dem Zusammenhang ist noch eine Begebenheit zu erwähnen:
Von den zunächst 52 Diesellokomotiven im Untertagebetrieb, wurden wegen der Umstellung auf die wirtschaftlichere Bandförderung, immer weniger Dieselloks gebraucht.
Nach und nach wurden sie ausgemustert. Als erste mussten natürlich die ältesten, und die dran glauben, bei denen sich eine Reparatur nicht mehr lohnte. Unsere Loks waren vorwiegend mit Mercedes- und Deutzmotoren ausgerüstet. Bei einer dieser ausgemusterten Loks war man sich anscheinend nicht so recht im Klaren, was mit ihr geschehen sollte.
Also schaffte man sie erstmal zu Tage und stellte sie hinter der Werkstatthalle ab.
Der Grund für die Außerbetriebnahme war, dass ein Pleuel unterhalb des Kobenauges abgerissen war und die Gehäusewand durchschlagen hatte. So stand die Lok lange Zeit und gammelte vor sich hin. Irgendwann entschloss man sich doch zur Verschrottung und beauftragte den Staplerfahrer, sie über das 600 mm-Schienennetz bis zur Haupt-Zechenstraße zu schieben, von wo sie auf einen LKW verladen werden sollte.
Ohne nachzusehen, ob bei der Lok ein Gang eingelegt war, begann der Staplerfahrer mit seiner starken Maschine zu drücken. Nach kurzem Schiebeweg sprang trotz des schweren Motorschadens der Motor an. Es sah aus, als wolle die Lok dem Stapler davon fahren, denn der Fahrer hatte vor Überraschung den Fuß vom Gas genommen. Weil die Seitenverkleidungsbleche mittlerweile entfernt worden waren, konnte man sehen, wie aus dem Kurbelgehäuseloch die gebrochene Pleuelstange wie ein Knochen aus dem verletzten Körper des Motors herausstocherte.
Die Schreinerei war maschinentechnisch hervorragend ausgerüstet. Ein Großteil der Büros war mit Möbeln aus der werkseigenen Schreinerei ausgerüstet. Auch die Räume des Ohlmannshofs und des Gesundheitshauses trugen eindeutig die Handschrift der Schreinerei. Es lag sicher in der Natur der Sache, dass das Können und die Möglichkeiten der Schreinerei auch für Privatarbeiten genutzt wurden.
Die Halle der Vulkanisierwerkstatt wurde von der großen Heißdampfpresse dominiert. In mehreren langen Reihen standen dort Tische, auf denen die schadhaften Gummigurtbänder ausgerollt wurden. Mit äußerst scharfen Vulkanisiermessern wurden großzügig die beschädigten Deckgummischichten herausgeschnitten und nach dem Aufrauen mit geeigneten Klebern durch passgenaue Gummilagen ausgefüllt. Nach weiteren Arbeitsschritten zog man die vorbereiteten Bänder Abschnitt für Abschnitt unter die Presse und vulkanisierte so mit Hitze und Druck die Materialien zusammen. Auch das Verbinden kurzer Gurtabschnitte zu brauchbaren Längen, gehörte zum Aufgabenbereich der Vulkanisierer.
Nach dem die NBAG der Ruhrkohle beitrat (oder beitreten musste) wurden diese Aufgaben zur Schachtanlage Friedrich-Heinrich ausgelagert. Bei uns blieb nur eine verkleinerte Restmannschaft unter der Leitung von Friedhelm Walters für betriebliche Einsätze. Für sie richtete man eine kleine Werkstatt neben dem Wendeturm vor Wäsche 2 ein. In die alte Vulkanisierwerkstatt zog das Motorenlager des Untertage- Elektrobetriebs ein.
Die Elektriker des Tagesbetriebs bekamen ein neues Gebäude zwischen der Kaue und dem Schalthaus. Der von den Elektrikern geräumte Werkstatteil ging an die KFZ- Wartung und Reparatur.
Ein Bericht über die Werkstätten der Tagesbetriebe wäre unvollständig ohne die Erwähnung der vielen kleineren Werkstätten der Einzelbetriebe, wie die des Lokschuppens, der Wäsche 1 und 2, der Brikettfabrik, des Kesselhauses, des Maschinenhauses, usw., sowie der Hydraulikwerkstatt und Schlosserei auf Schacht 3. Die dort Beschäftigten wären untereinander ohne Einarbeitung nicht ohne weiteres austauschbar gewesen, denn jeder Betrieb setzte auch spezielle Kenntnisse und Erfahrungen voraus.
Insider: Dieter Fischer, Werner Hartmann, Helmut Schary, Dieter Gickel.